Literatur für den Sportseeschifferschein SSS und den RYA Yachtmaster Offshore

Du hast doch schon den Yachtmaster. Warum noch den Sportseeschifferschein SSS?

Ich biete Teambuildings auf Segelyachten an. Ich segle mit Laien. Mit dem Yachtmaster Offshore der Royal Yachting Association (RYA) habe ich die passenden Qualifikation dafür. Crewmanagement, Tidennavigation, Nachtfahrten, Bootsführung, Notfallmanöver, Blindnavigation, rechtliche Vorschriften – das alles (und noch mehr) wird bei diesem Schein unter Praxisbedingungen geprüft. Mitbringen für den Schein muss man eine ganze Menge an Seemeilen. Darunter auch zusammenhängende Törns durch die Nacht, in Tidengewässern und über größere Strecken. Ein Erste-Hilfe-Seminar, zugeschnitten auf medizinische Notfälle an Bord, gehört zu den Zulassungsvoraussetzungen. Genauso wie ein Funkschein.

Natürlich – niemand ist perfekt. Auch dieser Schein kann ausgiebige Erfahrungen in der Praxis nicht ersetzen. Aber: Wer sein (theoretisch durchaus vorhandenes) Wissen nicht in der Praxis anwenden kann, wer nicht in der Lage ist, ein Boot auch in kniffligen Situationen einigermaßen souverän zu führen, der wird die Prüfung zum Yachtmaster Offshore nicht bestehen. Um das Herauszufinden, nehmen sich die Prüfer mehr als ausreichend Zeit.

Also drängt sich die Frage auf: Warum brauche ich noch einen weiteren Schein?

Die Antwort ist einfach: Weil es geschrieben steht.

Und zwar in §15 der Verordnung über die Inbetriebnahme von Sportbooten und Wassermotorrädern sowie deren Vermietung und gewerbsmäßige Nutzung im Küstenbereich, kurz: See-Sportbootverordnung, oder noch kürzer: SeeSpbootV. Dort steht:

„Wer ein Sportboot zum Zweck der gewerbsmäßigen Nutzung führt, bedarf einer Fahrerlaubnis sowie eines für die Funkstelle ausreichenden gültigen Funkzeugnisses. Wird das Sportboot in den Küstengewässern eingesetzt, ist die Fahrerlaubnis durch Vorlage des Sportküstenschifferscheins […] nachzuweisen. Wird das Sportboot in den küstennahen Seegewässern eingesetzt, ist die Fahrerlaubnis durch den Sportseeschifferschein nachzuweisen.“ (SeeSpbootV §15, Absatz 1)

Was „Küstengewässer“ und „küstennahe Seegewässer“ sind, steht in der Sportseeschifferscheinverordnung (SportSeeSchiffV):

„Küstengewässer sind alle Meere bis zu 12 Seemeilen Abstand von der Festlandsküste. Küstennahe Seegewässer sind die Gewässer aller Meere bis zu 30 Seemeilen Abstand von der Festlandsküste sowie die Seegebiete der Ost- und Nordsee, des Kanals, des Bristolkanals, der Irischen und Schottischen See, des Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres.“ (SportSeeSchiffV §1, Absatz 2)

Für deutsche Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland gilt diese Pflicht übrigens auch im Ausland – unabhängig von der Flagge des Schiffes (Anm.: Siehe hierzu aber auch den Kommentar von „ST“ und meine Replik dazu!):

„Deutsche mit Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes, die im Ausland ein Sportboot zum Zweck der gewerbsmäßigen Nutzung führen, bedürfen einer Fahrerlaubnis nach § 15 […]“ (SeeSpbootV §19, Absatz 2).

Für bestimmte Fahrtgebiete reicht der SportKüstenSchifferschein (SKS). Zum Beispiel das IJsselmeer oder die Küstengewässer an der Nord- und Ostsee (12-Meilen-Zone). Aber für die Mittelmeerinseln, wie zum Beispiel die Balearen, die Ionischen Inseln oder die Dodekanes, reicht der SKS nicht, um gewerblich ein Sportboot zu führen. Denn das Festland ist weiter als 12 Seemeilen von den Inseln entfernt.

Jetzt könnte man natürlich auf die Idee kommen, zu fragen, wer denn im Ausland diesen deutschen Schein kontrollieren möchte? Die Antwort lautet: Niemand! Aber in der Skipper-Haftpflichtversichung steht drin, dass man als Schiffsführer den „vorgeschriebenen Schein“ braucht – sonst erlischt der Versicherungsschutz.

Lange Rede, kurzer Sinn: Man kommt um den SSS als gewerblicher Skipper kaum herum.

Grau ist alle Theorie …

Der Sportseeschifferschein SSS besteht aus einem praktischen und einem theoretischen Prüfungsteil. Voraussetzung ist darüber hinaus der Nachweis über 700 auf Yachten im Seebereich zurückgelegte Seemeilen nach Erwerb des SKS.

Die Theorieprüfung umfasst vier Prüfungsfächer: Seemannschaft, Schifffahrtsrecht, Navigation und Wetterkunde.

Es ist möglich, die Theorie Fach für Fach an mehreren Prüfungstagen abzulegen. Die Wiederholung bei Fehlversuchen ist innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren unbegrenzt möglich (unter Einhaltung einer kurzen Sperrfrist nach einem Fehlversuch).

Der Stoffumfang der einzelnen Fächer ist relativ groß. Entsprechend lang sind die Bearbeitungszeiten der einzelnen Fächer in der Prüfung: Navigation 120 Minuten, Schifffahrtsrecht 60 Minuten, Seemannschaft und Wetter jeweils 45 Minuten. Der Stoff ist auch nicht beliebig, sondern (wie könnte es anders sein) in Richtlinien festgehalten: Die Richtlinien zur Durchführung der Aufgaben nach § 2 der Sportseeschifferscheinverordnung (SportSeeSchiffV).

Ein großer Teil der Inhalte ist durchaus praxisrelevant und oft auch inhaltlich interessant. Für das Fach Navigation gilt das aus meiner Sicht ohne jede Einschränkung. Hier wird im Rahmen einer umfangreichen Kartenaufgabe überprüft, ob man die Grundlagen der Navigation unter Berücksichtigung von Strom und Wind beherrscht. Das Fach Schifffahrtsrecht legt sinnvollerweise einen deutlichen Schwerpunkt auf die weltweit gültigen Kollisionsverhütungsregeln (KVR) und die Seeschifffahrtsstraßenordnung. Wetterkunde behandelt die Basics rund um das Wettergeschehen: Wie entstehen Wind und Seegang? Wie entstehen Druckgebilde (Hoch und Tief)? Wie sind Wetterkarten zu lesen? Was gibt es für regionale Besonderheiten beim Wetter? Und im Fach Seemannschaft erfolgt ein Rundumschlag über Yachtkonstruktionen, Seetüchtigkeit und Manövrierverhalten, Organisation an Bord, Sicherheitsausrüstung und Verhalten in Notfällen.

Aber zum Teil grenzen die Inhalte auch ans Absurde – zumindest vor dem Hintergrund, dass es um einen Qualifikationsnachweis zur sicheren Führung einer Yacht geht. Ein paar Beispiele:

  • Wussten Sie, dass der Direktor der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen darüber entscheidet, ob ein Seeunfall im Rahmen des Seesicherheits-Untersuchungsgesetzes (SUG) untersucht wird?
  • Ist Ihnen bewusst, dass sich ein Teiltief nach der Regel für Warmsektorzyklonen in Richtung der Isobaren des offenen Warmsektors verlagert, während ein Randtief das Haupttief auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn umkreist?
  • Gut zu wissen ist auch, dass es neben dem normalen Dosenbarometer auch das Aneroidbarometer und das Flüssigkeitsbarometer gibt.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Häufig muss man in der Tat auch anerkennen, dass zum Prüfungsstoff gehörende Inhalte interessant sind. Vielleicht sogar in konkreten Situationen hilfreich. Der schiere Umfang verhindert aber die Konzentration auf das Wesentliche. Und das macht das Lernen schwierig. Am Ende bleibt leider viel Auswendiglernerei, um das gesammelte Wissen dann in einem Schwall am Prüfungstag abzuladen (und vermutlich alsbald wieder aus dem Gedächtnis zu streichen).

Vorbereitung und Prüfung

Ich habe mich auf die theoretische Prüfung weitestgehend in Eigenregie vorbereitet. Als Grundlage habe ich die gelbe SSS-Buchreihe aus dem Delius-Klasing-Verlag (bzw. DSV-Verlag) genutzt: Das Lehrbuch Sportseeschifferschein, das Übungsbuch Übungen und Aufgaben Sportseeschifferschein
und das Aufgabenbuch Übungsaufgaben für die schriftliche Prüfung zum Sportsee- und Sporthochseeschifferschein. Damit bin ich ganz gut zurecht gekommen (Ausnahme: Wetterkunde, s.u.).

Allerdings muss ich dazu sagen, dass mir die Inhalte der Navigation von der Yachtmaster-Ausbildung noch so vertraut waren, dass ich das ohne fachkundige Unterstützung hinbekommen habe. Ich denke, mit dem reinen SKS-Wissen ohne zusätzlichen Input von außen wäre das sehr schwierig geworden. Vor allem das Thema Gezeitenrechnung unter Anwendung des ATT-Schemas ist erklärungs- und gewöhnungsbedürftig. Und auch für mich hat gegolten: Übung macht den Meister! Mir hat es beim Fach Navigation geholfen, mich mit jemandem auszutauschen, der sich auch auf die Prüfung vorbereitet (Danke, Jan!).

Auch beim Schifffahrtsrecht konnte ich auf die Yachtmaster-Grundlagen zurückgreifen. Denn auch bei der RYA werden die Kollisionsverhütungsregeln (KVR) rauf- und runtergefragt. Neu (und interessant) war für mich das Radarplotten, was ebenfalls zum Thema Schifffahrtsrecht gehört.

Diese beiden Fächer habe ich bei meinem ersten Prüfungsversuch am 10. Mai in Witten auf Anhieb bestanden. Seemannschaft und Wetter hatte ich bis Mai nur am Rande vorbereitet. Also ging die Prüfung hier daneben.

Seemannschaft sollte man als Fach nicht unterschätzen. Ein Prüfungsteilnehmer beschrieb das mir gegenüber so: „Man liest das durch und denkt bei jedem Absatz: ‚Ja. Klar. So mache ich das auch immer.‘ Aber wenn man das dann mal systematisch und vollständig aufschreiben muss, wird es schwierig.“ Genau das ist das Problem. Und es ist eben auch in diesem Fach viel Stoff, dessen Inhalt man in der Prüfung vollständig replizieren können muss. Also: Lernen! Lernen! Lernen! Eine Segelschule braucht man allerdings nicht dafür, wenn man schon ein paar Törns hinter sich hat.

Mein Angstfach war Wetterkunde. Zum einen, weil es sich hier um ein nicht ganz triviales Themengebiet handelt, von dem man erst mal so gut wie nichts weiß. Zum anderen, weil gerade hier ein Detailwissen verlangt wird, welches aus meiner Sicht weit über das an Bord und für den Schiffsführer praktisch Notwendige hinausgeht. Um mich darauf vorzubereiten, habe ich zusätzlich zum oben genannten gelben SSS-Buch das Buch Seewetter vom Autorenteam des Seewetteramtes herangezogen. Das hat mir extrem geholfen, die Zusammenhänge zu verstehen. Außerdem enthält dieses Buch auch Detailwissen, welches man für die Prüfung braucht, aber im gelben SSS-Buch nicht findet.

Im Nachhinein muss ich sagen, dass es sehr interessant war, sich so intensiv mit dem Wetter zu beschäftigen. Vor allem ist das ein Fach, bei dem reines Auswendiglernen nicht reicht. Man muss die Zusammenhänge wirklich zumindest in ihren Grundzügen verstehen – sonst bringt das nichts. Insofern war das Lernen auch nicht so schlimm. Eher im wahrsten Sinne des Wortes lehrreich.

Die Prüfung in den beiden ausstehenden Fächern habe ich am 21. November in Langenfeld erfolgreich bestanden.

Die praktische Prüfung

In Relation zum Umfang der theoretischen Prüfung ist die Praxisprüfung recht übersichtlich. Pflichtbestandteile sind Boje-Über-Bord-Manöver, Bestimmung des Schiffsortes mittels Radar, Basisnavigation, einfache Segelmanöver und Anlegen oder Ablegen unter Motor. Zusätzlich muss der Prüfer aus einer Auswahl von weiteren Bereichen Kenntnisse abfragen. Dies können Fragen zum Wetter, zum Motor, zur Gasanlage, zur Navigation oder Seemannschaft sein. Allerdings weit unter dem Niveau der Prüfungsinhalte zur theoretischen Prüfung.

Kursumwandelung in Echtzeit beim Sportseeschifferschein SSS

Kursumwandelung in Echtzeit beim Sportseeschifferschein SSS

Meine praktische Prüfung habe ich nach einem einwöchigen Trainingstörn in Travemünde im Oktober 2015 abgelegt. Unser Ausbildungsskipper, ein echter Seebär vom alten Schlag, von der Segelschule Frank Lochte hat sich eine Woche lang mit uns auf das Wesentliche konzentriert, um die Prüfung zu bestehen: Radarseitenpeilung, MOB-Manöver, Ab- und Anlegen. Das war absolut legitim, denn dafür waren wir angetreten. Und so verlief auch die Prüfung erfolgreich.

Eine neue Herausforderung: Radarseitenpeilung in der Bucht von Travemünde

Eine neue Herausforderung: Radarseitenpeilung in der Bucht von Travemünde (Beschriftung nachträglich hinzugefügt)

SSS oder Yachtmaster Offshore – Versuch einer Gegenüberstellung

Ein Mitglied der Facebook-Gruppe „Segeln“ hat mal geschrieben, dass man SSS und Yachtmaster nicht vergleichen könne – zu groß seien die Unterschiede. Nachdem ich jetzt beide Scheine habe, sehe ich das etwas differenzierter. „Vergleichen“ bedeutet ja auch nicht „gleichsetzen“.

Zunächst mal ist der Vergleich vor dem Hintergrund dessen, für was die Scheine qualifizieren, durchaus interessant. Beide Scheine qualifizieren für die Fahrt außerhalb der Küstengewässer. Der SSS in der 30-Meilen-Zone (plus die gesamte Nord- und Ostsee und das Mittelmeer; s.o.). Der Yachtmaster qualifiziert für die 60-Meilen-Zone.

Der SSS erlaubt auch die gewerbliche Nutzung von Sportbooten in der genannten Zone. Beim Yachtmaster muss man dafür noch eine Zusatzqualifikation erwerben („commercial endorsement“). Diese besteht aus einer (überschaubaren) theoretischen Prüfung sowie dem Nachweis, an einem ISAF-zertifizierten praktischen Lehrgang zur Sicherheit auf See und zur Feuerbekämpfung teilgenommen zu haben. Das „commercial endorsement“ muss regelmäßig erneuert werden.

Die Zugangsvoraussetzungen sind beim Yachtmaster hoch: Innerhalb der letzten 10 Jahre 50 nachgewiesene Tage auf See. Fünf Tage als Skipper. 2.500 Seemeilen, davon mindestens die Hälfte in Tidengewässern. Fünf Törns über 60 Seemeilen inklusive 2 Nachtfahrten – zwei davon als Skipper. Funkschein (mindestens SRC) ist Pflicht. Erste-Hilfe-Kurs ist Pflicht. Dagegen stehen 700 mitgesegelte Seemeilen seit Bestehen des SKS beim SSS …

Inhaltlich gibt es beim RYA Yachtmaster Offshore und dem SSS Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Bei beiden Scheinen wird ein großer Schwerpunkt auf die KVR und auf Tiden-Navigation gesetzt. Beim Yachtmaster muss das auch praktisch souverän angewendet werden – beim SSS fast ausschließlich theoretisch. Die RYA legt den Schwerpunkt in der Prüfung insbesondere auf die Themen Crewmanagement und sichere Bootsführung – in der Praxis und mit allen Facetten. Die Prüfung muss bei einer Einzelprüfung mindestens 8 Stunden dauern. Bei zwei Kandidaten beträgt die Mindestzeit 10 Stunden (für beide zusammen). Beim SSS liegt der Schwerpunkt ganz klar auf den theoretischen Grundlagen, die hier insgesamt weit umfangreicher geprüft werden. In der praktischen Prüfung hat der SSS lediglich die Anwendung der Standortbestimmung mittels Radar dem Yachtmaster voraus. Ansonsten wird beim SSS in der Praxis nichts geprüft, was ein durchschnittlich erfahrener SKS- oder BR-Schein-Inhaber nicht ebenfalls können sollte. Die praktische Prüfung darf beim SSS maximal 90 Minuten dauern.

Um es (abgesehen von den inhaltlichen Unterschieden) auf den Punkt zu bringen:

Beim RYA Yachtmaster Offshore musst Du zeigen, wie es geht.
Beim SSS musst Du zeigen, dass Du weißt, wie es geht.


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